Bücher über das Schreiben: Stephen King

28.01.2020 13:43 (zuletzt bearbeitet: 21.02.2020 16:56)
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Stephen King: Das Leben und das Schreiben
Ullstein Verlag

"Was ich nicht verstehe, Stevie, ist, warum du überhaupt so einen Schund schreibst. Du hast Talent. Warum vergeudest du deine Begabung mit so etwas?"

Diese Frage wurde Stephen King von seiner Lehrerin, Miss Hisler, gestellt, als er sein Frühwerk - ein Plagiat einer Gruselfilmvorlage - in der Schule in Umlauf brachte. Und diese Frage begleitet ihn, einen Schriftsteller, der hauptsächlich für das Genre Horror schreibt, wahrscheinlich sein Leben lang. Stephen King ist einer der besten Erzähler Amerikas, der mit der Lebendigkeit eines Rudyard Kipling vor unseren Augen Geschichten entstehen lässt. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass Kiplings Geschichten von Elefanten bevölkert sind, Kings von Gruselgestalten. Der Grund mag darin liegen, dass Kipling in seiner Jugend von dem exotischen Leben in den indischen Kolonien Englands geprägt wurde, der junge King seinen Thrill dagegen aus Gruselheften und Gruselfilmen bezog.

Die Autobiografie
Das Leben und das Schreiben ist weniger eine Autobiografie, denn mehr ein sensibles Buch über das Schreiben, erzählt in einem humorvollen, manchmal auch sehr drastischen Tonfall. King kann sich so gut wie an nichts aus seiner Kindheit erinnern, und er teilt - wie er augenzwinkernd zugibt - die Verwunderung der meisten Leser, die sich fragen, wie manche Autobiografien zustande gekommen sein mögen. Es ist um so interessanter, seinen Lernprozess zu verfolgen, den er auf dem Weg zu dem Bestsellerautor durchlaufen hat, der er heute ist. King erzählt von seinem ersten Aushilfsjob als Sportberichterstatter für das College-Blatt, dessen Redakteur ihn eine wesentlichen Techniken lehrte, die gleichermaßen für fiktionale wie auch für nicht-fiktionale Autoren gilt: Schreibe, dann streiche alles heraus, was nicht zu der Geschichte gehört.

Stephen King hat seit seiner Jugendzeit Kurzgeschichten geschrieben und versucht, sie bei unterschiedlichen Verlagen unterzubringen. Nicht, weil er sich für einen begnadeten Künstler hielt, sondern weil er mit seinen schlecht bezahlten Jobs häufig an den Rand des Existenzminimums geriet. Er sammelte die Absagen an einem Nagel an der Wand. Sein persönlicher Fortschritt dokumentierte sich in dieser Zeit vor allen Dingen dadurch, dass Verleger begannen, ihm persönlich zu antworten, um ihm zu erklären, warum sie seine Beiträge (noch) nicht akzeptieren konnten. Der Roman, der Stephen King zum Durchbruch verhalf - Carrie - wäre um ein Haar nie erschienen. Kings Frau Tabby hatte das Manuskript aus dem Papierkorb gerettet, in dem es gelandet war, weil King nicht wusste, wie er die Geschichte weiterentwickeln sollte.

Kings Autobiografie, aufgehängt an den Stationen seines Lebens, macht nur ein Drittel des ganzen Buchs aus. Der Großteil ist dem Thema gewidmet, das uns alle beschäftigt: dem Schreiben.

Über das Schreiben
Du findest hier all das, was dir bekannte und gute Bücher (Stein*, Frey**) über das Schreiben auch schon einmal gesagt haben, allerdings nicht in der für Sachbücher typischen thematischen Gliederung, sondern eingebettet in die Entwicklungsgeschichte des Schriftstellers Stephen King. Er resümiert an einer Stelle weit hinten im Buch, dass er große Schwierigkeiten damit habe, diese für ihn ungewohnte Form des nicht-fiktionalen Schreibens zu bewältigen. Wir können dir bestätigen, Stevie, du hast komplett versagt - du hast kein Sachbuch geschrieben, sondern es ist dir gelungen, dein Thema in einen großartigen Roman einzubinden.

Wir haben beim Lesen dieses Buchs die einmalige Chance, in die Entstehung von Kings zahllosen Büchern einzutauchen und nebenbei das Wesentliche zu lernen, das das Handwerkszeug eines Autors ausmacht. Aus den über 200 Seiten, die sich intensiv mit dem Schreiben auseinandersetzen, kristallisiert sich ein Grundprinzip klar heraus: Kings Bücher sind nicht plotgesteuert, seine Geschichten entwickeln sich scheinbar selbständig aus den lebendigen Menschen heraus, die er in seinen Büchern außergewöhnlichen Situationen aussetzt.

Das Buch endet mit der Schilderung des Unfalls im Jahr 1999, der Stephen King fast das Leben gekostet hat. Und wieder schafft es Stevie bei seiner Schilderung der Ereignisse nicht, sich von seiner schlechten Angewohnheit des Romanschreibens zu lösen: Du wirst feststellen, dass der Autofahrer, der den Fußgänger King mit seinem Kleinlastwagen auf der einsamen Landstraße in Maine frontal erfasst und schwer verletzt, in seiner Gleichgültigkeit deutliche Züge einer Horror-Figur aus einem King'schen Roman hat. Das gibt sogar King selber zu.

Einmal Schriftsteller, immer Schriftsteller. Du und ich, wir sind noch auf dem Weg dahin - aber dieses Buch von Stephen King kann uns der Sache durchaus näher bringen.

* Bücher über das Schreiben: Sol Stein
** Bücher über das Schreiben: James N. Frey






























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