Bücher über das Schreiben: James N. Frey

28.01.2020 13:40
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James N. Frey: Wie man einen verdammt guten Roman schreibt; Wie man einen verdammt guten Roman schreibt, Teil 2
Emons Verlag

1998 erschien der zweite Teil von James N. Freys praktischer Anleitung zum Romanschreiben in deutscher Sprache. Wer das erste Lehrbuch von Frey gelesen hat, weiß, dass Frey strikt einen Grundsatz vertritt: die Ansicht, dass Schreiben wenig mit Genie, sondern in erster Linie mit Handwerk zu tun hat.

Zwischen dem Erscheinen des ersten und zweiten Teils in der amerikanischen Erstausgabe liegen sieben Jahre, und Frey spricht mit der Stimme eines Lehrers zu seinen Lesern, der in den vergangenen Jahren selbst viel gelernt hat und dieses Wissen an den ebenfalls gereiften Romanautor weitergeben möchte. Frey ergänzt sein erstes Buch nicht nur, er korrigiert auch seine eigenen Ansichten - bei der erneuten Diskussion der "Schreibblockade" auf eine Art und Weise, die dem Leser mehr als ein Schmunzeln in die Mundwinkel treibt.

Das erste Kapitel erzählt uns in anschauliche Worten, wie wir es schaffen, unseren Leser in einen fiktiven Traum zu binden, ihn so tief in die virtuelle Realität unserer Geschichte hineinzuziehen, dass er völlig gefesselt ist und das Buch nicht beiseite legen kann. Das zentrale Moment dabei ist unter anderem ein sorgsam aufgebauter Spannungsbogen, und schon leitet Frey zwanglos das nächste Kapitel ein, das uns verspricht, alles über Spannung zu berichten - mit dem Untertitel "Reich mir mal den Senf rüber, sonst kau ich mir noch sämtliche Fingenägel ab".

Natürlich darf auch ein Exkurs über die Prämisse nicht fehlen, einem wichtigen Konzept der amerikanischen creative-writing-Schulen, meist ausgedrückt in vordergründig seltsamen Sprüchen. Frey erzählt uns augenzwinkernd von seinen ersten Versuchen zu schreiben, von der großen amerikanischen Geschichte über Leben und Leiden eines Schadenssachbearbeiters einer Versicherung (ihn selber) und die drängenden Fragen seines Mentors, WOHIN denn diese Geschichte führen solle, was denn ihre Prämisse sei. Frey berichtet, wie sein Mentor jedesmal puterrot angelaufen sei, wenn er ihm knurrig geantwortet hatte, die Prämisse sei "Leben führt zum Tod".

Was die Amerikaner unter einer Prämisse verstehen, ist tatsächlich für jede gute Geschichte unerlässlich: das Konzept der Prämisse fordert nämlich, dass es im Laufe der Handlung Wandlungen geben muss, die zielstrebig auf ein bestimmtes Ende hin arbeiten. Ich glaube, es ist nicht dieses völlig einsichtige Konzept, das den Begriff der Prämisse so suspekt erscheinen lässt, es ist vielmehr die ziemlich blöde Angewohnheit der creative-writing-Lehrer, Prämissen durch übermäßig stark kondensierte Kausalsätze auszudrücken. Sei ehrlich - findest du, dass "Reue führt zu einem glorreichen Tod" die Komplexität einer Geschichte wie "Samson und Delila" wiedergibt?!

Einer der eindrücklichsten und zugleich humorigsten Abschnitte des Buchs ist Kapitel 8 mit dem Titel "Die sieben Todsünden". Frey lästert hier völlig ungeniert über die Autorentypen, die ihm das Leben als creative-writing-Dozent bisher besonders schwer gemacht haben. Die Ego-Schreiber, denen der Leser scheißegal ist, die nur die eigene Genialität zeigen wollen und deshalb "literarisch" schreiben. Die Kritik mit den hämischen Worten abschütteln, man habe wohl noch nicht "Der Dreck am Rande der Zeit" (Originalzitat ;-) gelesen, aus der Feder irgend eines gefeierten Avantgardisten.

Dann zum Thema Produktivität: die Begnadeten, denen die eigenen Fähigkeiten dermaßen im Wege stehen, dass sie einfach nichts zu Papier bekommen - ständig haben sie eine Schreibblockade. Frey vergleicht die Schreibblockade des Schriftstellers mit einer "Mauerblockade", die einen ganz gewöhnlichen Handwerker befällt, und erzählt uns diese Geschichte:

Ein Maurer, dessen künstlerisches Händchen für schöne Terrassen und Patios bekannt ist, kommt morgens zu spät zur Baustelle, weil er noch kurz die bunten Hälse der Tauben im Park bewundern musste. Als er die Blaupause in die Hand nimmt, befällt ihn ein Zittern, und Schweiß tritt auf seine Stirn. Der Polier, der ihn niedergeschlagen herankommen sieht, nickt verständnisvoll und sagt nur: "Mauerblockade, was?"
Er schickt ihn nach Hause, wo der sensible Maurer von seiner Ehefrau unnachgiebig befragt wird, warum er nicht bei der Arbeit sei. Die Erklärung mit der blockierten künstlerischen Fähigkeit akzeptiert sie stirnrunzelnd nur bis zu dem Punkt, wo sie aus ihm herausbekommt, dass er während dieser Schaffenskrise nicht bezahlt wird. Sie geht in die Küche, holt ein Nudelholz und brät ihm eins über. Frey schließt lakonisch, dass die Wunde mit 34 Stichen genäht werden musste und der Maurer nie wieder eine Mauerblockade hatte.

Wie man einen verdammt guten Roman schreibt, Teil 1 und 2, sind lesenswerte Lehrbücher über das Romanschreiben, geschrieben von einem nüchternen und uneitlen Praktiker, dem jahrelange Erfahrung als Autor und Dozent für creative writing das Recht geben, uns zu sagen, wo es lang geht. Und jeder, der sich mit Schreiben beschäftigt, wird das Buch nicht aus der Hand legen können, bevor er das Ende erreicht hat - weil es nämlich so verdammt gut geschrieben ist.



























































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